Johannes Stüttgen ist am 24. Januar 1945 in Freiwaldau (heute Tschechien) geboren. Er studierte in Münster Theologie (auch bei Joseph Ratzinger) und ging 1966 an die Düsseldorfer Kunstakademie, wo er Meisterschüler von Joseph Beuys wurde. Als Mitstreiter von Beuys ist er ein intimer Kenner und Interpret der sozial motivierten Kunst, die Joseph Beuys auszeichnet. Johannes Stüttgen lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Am 03. Mai 1999 hat der SWR 2 in der Reihe „Pädagogische Provinz“ das Feature „Die kleine Hasenschule. Mümmelmann als Menschendfreund und Pädagoge“ gesendet. In diesem Kontext steht das Interview mit Johannes Stüttgen. Das Gespräch wurde am 18.Dezember 1998 in Düsseldorf Oberkassel geführt. Das ausführliche Interview konnte in dem Feature nicht annähernd gewürdigt werden. Am 30. März 2013 kam Johannes Stüttgen in der Sendung „Symbol und Kraft. Die Hasen des Joseph Beuys“ noch einmal zu Wort. Der Deutschlandfunk Kultur hatte den Beitrag für die Sendung „Religionen“ produziert. Hier nun das vollständige Interview. Es wurde von Johannes Stüttgen autorisiert.
Sendung von Adolf Stock „Symbol und Kraft. Die Hasen des Joseph Beuys.“ Deutschlandfunk Kultur am 30.03.2013
Sendung von Adolf Stock: SWR 2 Pädagogische Provinz am 03.04.1999 (Manuskript zum Nachlesen): Die kleine Hasenschule. Mümmelmann als Menschenfreund und Pädagoge.
Joseph Beuys wurde einmal gefragt, ob er Humanist sei, und er hat geantwortet, er sei lieber ein Hase. Das hat mir zwar gefallen, aber so ganz verstanden habe ich das nicht.
Das hängt natürlich auch mit dem Begriff Humanismus zusammen, der ist arg strapaziert worden in der abendländischen, neuzeitlichen Geschichte, und auf den Humanismus beruft sich natürlich jeder. Es ist die Eigenart auch der Bildungsschicht, sich auf den Humanismus kapriziert zu haben, um dabei parallel dazu die Realität aus dem Auge zu verlieren. Humanismus ist weitgehend immer die Beschwörung von bestimmten Idealen, denen man gar nicht widersprechen kann, auch nicht widersprechen darf.
Auf der anderen Seite hat dieser Humanismus im Abendland aber auch bewiesen, dass er nicht die Kraft hatte, die ganzen Fürchterlichkeiten zu verhindern, die wir in der deutschen Geschichte zumindest aufzuweisen haben. Also, der Humanismus hat immer diese Doppelgestalt, er wird im Grunde als idealistisches Idiom angesehen, und ich glaube, wenn Beuys gesagt hat, ich bin lieber ein Hase, dann wollte er nachdrücklich auf einen höheren Realitätsanspruch hinaus.
Er wollte damit sagen, mit dem Humanismus kommen wir so gar nicht weiter. Er ist eine Beschwörung, und er ist gar nicht in der Lage, die Verhältnisse ernsthaft in die Richtung des Menschen zu biegen. Sondern im Gegenteil, er gibt ein Terrain nach dem anderen auf, und den Sieg hat eine globale übermächtige Geldwirtschaft, die mit Humanismus weiß Gott nichts zu tun hat, obwohl sie sich ja auch immer darauf berufen hat. Adam Smith war schließlich sogar Moraltheologe.
Beuys wollte auf eine andere Ebene hinaus, auf die Ebene der Realität, auf die Ebene der Kräfte. Und dafür war ihm der Hase zunächst einmal ein Wesen, dass in der abendländischen Geschichte immer wieder auftaucht, aber auch unterschätzt wird, weil es als Märchenfigur oder eben auch als Tier angesehen wird. Zum Beispiel der Osterhase, der ist auch immer gut für Kinder, und ich glaube, Beuys hat in dem Hasen etwas gewittert, oder auch erkannt, was weder vom Humanismus noch von dem Gegenpart überhaupt ernst genommen worden ist, und darauf hat sich Beuys kapriziert.
Beuys hat sehr gefallen, dass der Hase ein Verwandlungskünstler ist. Schließlich ist der Osterhase auch ein symbolträchtiges verwandeltes Tier.
Ja, Verwandlung, Metamorphose, vor allen Dingen Bewegung. Der Hase war für Beuys das Wesen der Bewegung. Das Wesen der Bewegung, es gibt Hinweise, zum Beispiel bei der berühmten Kronenschmelzaktion 1982 in Kassel, wo er die Kopie der Zarenkrone Iwan des Schrecklichen umgeschmolzen hat in einen Hasen mit einer Sonne. In dem Zusammenhang hat er immer darauf hingewiesen, dass der Hase ein Tier ist, das quer durch Eurasien die gesamten großen Entfernungen zwischen Ost und West eigentlich immer frequentiert, hin- und herläuft.
Also der Hase als ein Bewegliches, als ein Verwandelndes, und wenn man es jetzt noch etwas tiefer betrachtet, dann bezieht sich diese Bewegung eben auch auf seelische Bewegung. Zum Beispiel auf Transformation, der Hase als der Stellvertreter für Umwandlungsprozesse, die sich beziehen auf – ja wie soll man das sagen – Beuys hat es die Blutskräfte genannt. Also die Blutskräfte, die, die eigentlichen Liebeskräfte, die Kräfte, die sich inkarnieren, die sich mit der Erde verbinden, aber nicht eben um in der Erde steckenzubleiben, sondern aus der Erde wieder hervorzukommen, so nach dem Motto, dieses schöne alte Lied, armes Häschen bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst. Has hüpf!
Also die Animation dahin, dass man aus der Erdkuhle, in der man im Winter verharrt hat, wieder herausspringt. Und wenn man den Winter jetzt mal nicht nur als Jahreszeit sieht, sondern als einen Zustand, in dem wir uns geistig heute sowieso befinden, man kann von einer Kälte sprechen, man kann sagen, die Wärmekräfte sind zugeschneit, sie sind gar nicht offenbar. Und wenn man das jetzt wieder zurück auf dieses Bewegungsprinzip überträgt, dann hätte man genau die Aufgabe, vor der wir heute stehen. Und das war der Hase.
Auf einer Wiese bei Buxtehude soll der Wettlauf zwischen Hase und Igel stattgefunden haben. Normalerweise ist ja immer der Igel der Schlauere. Mich hat der Kulturdezernent von Buxtehude korrigiert, eigentlich sei der Hase viel wichtiger als der Igel, weil er für Bewegung und Beschleunigung steht.
Ja, dieses Märchen hat eine Doppelgesichtigkeit in jeder Hinsicht, buchstäblich, und jeder, der ein Freund des Hasen ist, hat mit diesem Märchen so seine Probleme. Normalerweise ist der Hase eher die Verkörperung des Positiven. In dem Fall, bei dem Märchen, dreht sich die Sache merkwürdigerweise um, und wenn man noch einmal eine Umkehrung ins Spiel bringt, dann ist die schon interessant.
Hier ist nicht nur von Bewegung, sondern sogar von Beschleunigung die Rede. Ja gut, allerdings in dem Falle um den Preis des Todes, muss man sagen. Und der Igel ist eigentlich auch ein Schlitzohr und der Hase ist der Dumme, der im Endeffekt, eben weil er ständig diese Beschleunigung provoziert, in der Ackerfurche liegenbleibt. Ich kannte die Version nicht, ich muss mich erst einmal dran gewöhnen. Ja gut, das ist ein interessanter Versuch, den Hasen dann doch zu rehabilitieren.
Es gibt diese Geschichte mit dem Friedenshasen. Wenn Sie erzählen könnten, wie die Aktion auf der Documenta 1982 ablief? Beuys ist mit dieser Zarenkrone nach Kassel gekommen und hat sie in einen Hasen verwandelt.
Ich war derjenige, der dieses Einmachglas in der ganzen Zeit gehalten hat, und Beuys hat von dieser Zarenkronenkopie natürlich am Anfang erst einmal die Edelsteine abgepiekst, mit einer Nagelschere übrigens, und hat dann diese Edelsteine in dieses Einmachglas gelegt. Er hat das Kreuz oben abgeschraubt und in das Einmachglas gelegt und so weiter und so fort. Also ich war direkt ganz eng dabei, und man muss sagen, diese Aktion war ja selber eine Art von Hakenschlagen.
Das begann schon damit, dass der Eigentümer dieser Zarenkronenkopie, der übrigens in den 50er Jahren in Düsseldorf der König der Altstadt hieß, weil er sehr wichtige Altstadtlokale betrieb und übrigens auch deshalb diese Kopie der Zarenkrone Iwans des Schrecklichen über Umwege hat machen lassen. Er musste nämlich die Originalkrone erst einmal haben, die er dann einem Düsseldorfer Juwelier – für drei Tage glaube ich war es – zur Verfügung stellte, damit derjenige sie nachbauen konnte. Und die hat er wiederum über den Schwiegersohn von Chruschtschow damals bekommen. Also diese Geschichte ist eigentlich auch schon selber eine Art solcher hakenschlagender Geschichte. Und irgendwann war, und er hat diese, das war der Mattner, so hieß der, und der hat die Kopie der Zarenkrone eingesetzt in einem dieser Lokale in Düsseldorf und man konnte dann nämlich aus dieser Kopie Wodka trinken und sich fotografieren lassen mit dieser Kopie, wenn man entsprechend etwas bezahlte.
Das war also ein PR-Objekt und keineswegs mehr das Symbol der großen Kaiserwürde, wie es dann schließlich auch hingestellt wurde, als die Juweliere in Kassel und ganz Deutschland protestierten, dass Beuys diese Krone einschmelzen wollte. Das muss man also wissen, nun ja, und an dem Vormittag, nachdem ein großes Podest aufgebaut worden war aus Holz über den siebentausend Basaltsäulen, denn diese Aktion bezog sich indirekt auf die Aktion 7000 Eichen, da kam Beuys frühmorgens mit einer Plastiktüte in der Hand zu dieser Veranstaltung. Und es begann schon damit, dass man ihn fragte: Wo hast du denn jetzt die Kopie der Zarenkrone?
Und die hatte er in der Plastiktüte, mit dem Kommentar, da vermutet sie ja keiner. Denn es war ja nicht so ganz ungefährlich mit so einem großen Wertgegenstand, nachdem die Sache so öffentlich war, nun auch in der Öffentlichkeit aufzutreten. Und irgendwie musste man sich auch schützen vor Überfällen. Gut, und dann war auf diesem Podest ein Ofen aufgebaut mit Ziegelsteinen, und zum Schmelzen von Gold braucht man gewaltige Temperaturen, das war nicht ganz ohne Risiko. Und da drängten sich auf dem Podest die Journalisten und all diese Leute. Während der ganzen Aktion, der Demontage der Krone und dem Schmelzvorgang, war ständig eigentlich die Gefahr oder das Risiko, dass man in der Mitte zusammengequetscht wurde. Und das war bei diesem heißen Ofen nicht so ohne, und umgekehrt, dass diejenigen, die am Rand standen, heruntergedrängt würden, und dann auf die Basaltsäulen gefallen wären.
Es war ja eine sehr dramatische Situation, und diese Dramatik war auf der anderen Seite natürlich wichtig für die gesamte Stimmung und Atmosphäre, die dieser alchimistische Schmelzvorgang hatte, denn keiner wusste, dass da ein Hase bei herauskommen würde. Das war vorher nicht bekanntgegeben.
Das war immer die Frage, was macht er denn jetzt mit dem Gold? Und Beuys hat diesen Vorgang des Schmelzens noch dadurch kommentiert, er hatte ein Mikrofon immer zur Hand, und die Leute, die nun unterhalb der Empore da standen und den ganzen Friedrichsplatz erfüllten und überhaupt nichts sehen konnten, die hörten dann in Abständen übers Mikrofon Namen, die der Beuys dann ins Mikrophon reinrief, wie zum Beispiel Agrippa von Nettesheim, Paracelsus. Also er zählte so einige Alchimisten auf, um diesen Vorgang dahingehend noch mal zu verstärken.
Das war eine sehr schöne Stimmung. Ja gut und da ist dann schließlich dieser Hase herausgekommen und eine kleine Sonne. Das war dann der Friedenshase als ein Symbol einer ganz neuen Menschheitsidee, die eben weder durch die Krone Iwan des Schrecklichen repräsentiert wurde, wie das eine alte Form war, ein autoritäres Prinzip, die aber auch nicht durch die Kopie, der kapitalistische Missbrauch dieses alten Prinzips charakterisiert war, also dass man aus diesem ursprünglich ehrwürdigen Instrument nun neuerdings Wodka trinken durfte, im Sinne des Geldmachens, sondern der Hase war jetzt das Symbol für eine zukünftige, freiheitliche, bewegliche, geistig bewegliche, selbstbestimmte Kultur, in der zum Beispiel die direkte Demokratie eine große Rolle spielen sollte.
Das ist in groben Zügen diese Aktion, nicht, aber nun muss man wissen, es war eine der ganz späten Aktionen von Beuys. Aber bereits in der allerersten Aktion von Beuys 1961 in der Kunstakademie in Düsseldorf spielte bereits ein toter Hase eine Rolle. Also Hasen haben die Aktionskunst von Beuys durchgängig begleitet.
Es gibt ja diese berühmte Aktion im November 1965, wo Beuys einem toten Hasen die Kunstwerke erklärt.
‚Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt‘. Das war eine Aktion in der Galerie Schmela in Düsseldorf. Da hat er seinen Kopf mit Blattgold überzogen und hatte einen toten Hasen in der Hand, und ist mit ihm vor der Eröffnung der Ausstellung an seinen Zeichnungen vorbeigegangen und hat ihm seine Zeichnungen erklärt. Und die Besucher standen dann draußen, er war also in der Galerie alleine. Die Besucher standen draußen und konnten diesen Vorgang vom Schaufenster aus beobachten. Und damals hat Beuys klipp und klar darauf hingewiesen, dass es einfacher sei, einem toten Hasen die Bilder – sprich: das Geheimnis der Kunst – zu erklären als lebendigen Menschen.
Damit wollte er auf eine verborgene unterschätzte Kraft hinweisen, von der er behauptet hat, dass sie im Menschen selber auch ist. Sie ist da zwar nicht tot, aber sie ist schlafend, und sie muss erweckt werden. Also der Tod als der größere Bruder des Schlafes. Der tote Hase war da natürlich auch das Zeichen eines schlafenden Seelenelements im Menschen, das es gilt, ins Bewusstsein zu rücken.
Bei dem Philosophen Arthur Schopenhauer gibt es das Motiv der großen und der kleinen Vernunft. Also das Denken ist die kleine Vernunft, und der Körper als großer Zusammenhang ist die große Vernunft. Ist man da auch bei Beuys und seinem Kunstbegriff, der die Wertschätzung des Hasen überhaupt erst möglich macht? Für was steht der Hase?
Er steht für eine Potenz. Er ist nicht nur ein Symbol, das ist ganz richtig, es sei denn man nimmt den Symbolbegriff urtümlich, ursprünglich, denn dann ist ja nicht mehr die Rede davon, dass es ‚nur‘ ein Symbol sei, sondern dann ist Symbol die Anwesenheit, das Konzentrat einer Potenz, sprich einer Energierealität, die darauf wartet, in Bewegung gebracht zu werden durch den Menschen. Und genau um das handelt es sich auch.
Dieses Bild der kleinen und der großen Vernunft, das lässt sich durchaus auch in diesem Zusammenhang benutzen, weil Beuys ja auch immer darauf rekurriert hat, dass er gesagt hat, der Mensch ist in seiner wahren Potenz überhaupt noch gar nicht erkannt. Nämlich die Potenz, Künstler zu sein, schöpferisch zu sein, selbstverantwortet, selbstbestimmt zu agieren, zu gestalten. Und damit spricht er eine Möglichkeit, eine reale Potenz im Menschen an, die als solche eben womöglich noch schläft, die bestenfalls träumt und die sich in diesen Träumen eben auch der Bilder des Hasen beispielsweise bedient.
Es ist ja kein Zufall, dass der Hase gerade bei Kindern eine so große Akzeptanz findet. Weil Kinder dieser Potenz gegenüber noch eine sehr viel größere, ein sehr viel größeres, na sagen wir mal Empfinden haben, ein Wissen haben, was ja dann bekanntlich auch verloren geht, wenn man erwachsen wird, das also stirbt. Jetzt haben wir das Motiv des Todes wieder mit drin und dass dann in einem späteren Zeitpunkt, so nach dem großen Wort Jesu Christi ‚Wenn ihr nicht werdet wie die Kindlein‘, aufgeweckt werden muss, und dann haben wir das Auferstehungsprinzip, und dann haben wir auch die Erklärung, warum der Hase der Osterhase ist.
Und Beuys hat sich dieses Bildes sehr bewusst bedient, weil er eben auch die innere Kraft dieses Bildes kannte. Eben nicht nur als Symbol, sondern als Animator, als buchstäbliche, wie soll man sagen, als eine Initiationskraft, die jeden Menschen – wenn sie ihn überhaupt erst mal erreicht – berührt und damit auch im Sinne des Hasen aktiviert. Der Hase tritt hier also auf als eine sehr große geistige Kraft, man kann sogar sagen, als die Christuskraft.
Also könnte man auch sagen, dass im Beuysschen Sinne der Hase besondere didaktische Fähigkeiten hat?
Das kann man sagen. Man kann sogar sagen, der Hase steht für das didaktische Prinzip schlechthin, denn wenn man sich einfach mal vorstellt: Lehrer und Schüler, also das Urbild des Pädagogisch-Didaktischen, dann muss man sich fragen, welche Fähigkeiten braucht eigentlich ein Lehrer. Und dann stößt man ja sehr bald auf eine sehr geheimnisvolle Fähigkeit, die nicht in erster Linie etwas mit Wissensvermittlung zu tun hat, sondern die eigentlich mehr mit der Fähigkeit zu tun hat, die Fähigkeit im anderen Menschen zu entdecken.
Das heißt die Fähigkeit, etwas ausfindig zu machen wie eine Fähigkeit, die möglicherweise der Andere, das Kind in dem Falle, selber noch gar nicht richtig kennt. Der große Lehrer ist ja derjenige, der in der Lage ist, diese versteckte, diese träumende, diese wartende Fähigkeit zu wecken. Und alleine indem er sie nur anguckt, indem er ihr zuhört oder indem er sie betrachtet, also indem er ihr Kraft zukommen lässt, Bewusstseinskraft, dass dadurch diese Fähigkeit im Kind stark wird, größer wird, Mut bekommt, ein Selbst-Bewusstsein bekommt und so weiter. Beuys fasst diesen komplexen Tatbestand zusammen im Bild des Hasen.
Sie wissen, es gibt auch andere Tiere bei Beuys. Der die Tiere sowieso in seiner ganzen Arbeit eingesetzt hat als große Mitakteure, nämlich als Vertreter einer großen komplexen Wirklichkeit, die als solche noch nicht erkannt worden ist. Da tritt der Hirsch auf, da tritt der Schwan auf, da treten die Bienen auf, da tritt der Kojote auf, also ein Wolf. Da tritt ein Schimmel auf, und so könnte man viele Tiere noch nennen. Beuys hat die Tiere immer als repräsentative Repräsentanten einer sehr, sehr hohen geistigen spirituellen Wirklichkeit erkannt und buchstäblich in seine Arbeit integriert, um damit deutlich zu machen, dass die Dimension des Menschen – und damit kommen wir zurück zum Humanismus – dass diese Dimension viel, viel umfassender ist, als es der Humanismus zu fassen in der Lage gewesen wäre. Das heißt, dadurch dass die Tiere mit in diesem Kontext des Menschen einbezogen werden – und zwar nicht in der uns bekannten üblichen Form, dass die Tiere domestiziert würden, dass sie gezähmt würden, dass sie gebändigt würden, sondern im Gegenteil: dass ihre Kräfte repräsentiert werden, die der Mensch überhaupt noch erlangen muss, Potenzen also – dann ist damit glaube ich genau die Dimension angezeigt, als er sagte ‚Ich bin kein Humanist, sondern lieber dann ein Hase‘. Weil gerade diese Dimension im Humanismus, ja man muss fast sagen, eigentlich immer mehr verkümmert ist.
Der Humanismus hat mit dazu beigetragen, diese Dimension verkümmern zu lassen, er hat ein Menschenbild der Aufklärung schließlich und endlich in den Mittelpunkt gerückt, das dann aber heute, wie man sehr deutlich sieht, nicht mehr ausreicht. Und wenn Sie die ganze ökologische Frage mit ins Spiel bringen, dann muss man sagen, der Humanismus hat es nicht fertig gebracht, die Krise zu verhindern. Er hat sie geradezu mit erzeugt, und er hat keine Mittel, diese Krise zu lösen. Das heißt, er hat nicht die Mittel, die Menschheitsevolution auf die nächsthöhere Stufe zu bringen, und dafür steht der Hase.
Es ging um die geistigen Formen, um die geistigen Kräfte?
Wir haben ja von Transformation eben gesprochen, nämlich in dem Falle der Transformation des Menschenbewusstseins in ein höheres Bewusstsein, dass auch die Dimension der Tiere, die eigentliche, eine kosmische Dimension, eine göttliche Dimension miteinbezieht, und jetzt muss man sagen, die zweite Transformation ist dann mindestens genauso wichtig. Nämlich die, dass umgekehrt das, was früher mal ein mythologisches, ein märchenhaftes, träumendes Wissen gewesen ist, nun seinerseits als das Größere im Kleineren nämlich im Bewusstsein transformiert werden muss, so dass aus dem Ganzen, aus dem mythologischen ursprünglichen alten Zusammenhang etwas ganz Neues entsteht, nämlich der Freiheitsimpuls.
Das heißt, jetzt muss man wiederum vom Humanismus reden und muss sagen, die Tradition der Aufklärung, die Tradition der Rationalisierung, die Tradition der Verwissenschaftlichung im Sinne der Naturwissenschaften, im modernen Sinne, im neuzeitlichen Sinne, die ist zwar ein Todesprozess und als solcher von Beuys auch ständig charakterisiert worden, auf der anderen Seite war dieser Todesprozess aber auch notwendig.
Also die Reduktion auf das Rationale war notwendig, weil in ihm die Emanzipation, die Freiheit des Menschen realisiert wird, nämlich auch in dem Sinne von einer Trennung von der Natur, das heißt, sich auf die eigenen Füße stellen. Mit allen Fehlern und Mangelhaftigkeiten, die damit verbunden sind.
Nicht, also das, was wir uns eingehandelt haben durch diesen Verlust von Wissen der Hasen, Hirsche, Haie, Elefanten und so weiter, hat den positiven und wichtigen Aspekt der Befreiung von den alten Abhängigkeiten. Und wir stehen heute vor dem Punkt, wo wir sagen müssen, ja aber dieser Freiheitsvorgang muss auf die nächsthöhere Stufe gebracht werden, und das würde dann bedeuten, dass man das zurückgelassene alte Erbe, mythologische Erbe, das in unseren Seelen tief in dem Unbewusstsein natürlich weiterwirkt, nun jetzt mal ganz bewusst wieder ins Spiel zu bringen und damit auf eine höhere Stufe zu bringen, auf die Stufe des Bewusstseins, damit sich zeigt, dass der Freiheitsbegriff eigentlich überhaupt erst am Anfang steht, und dass ihm eine viel, viel größere Dimension bevorsteht, wenn er sie realisiert.
Das ist dann glaube ich auch wieder der Hase. Der Hase als ein Wesen, das selber im Menschen erlöst, das heißt befreit werden muss. Also da klingt auch dieses Motiv von Wagner, die Erlösung des Erlösers, an. Ich habe eben schon mal von Christus geredet, und das kann man jetzt auch auf diesen ganzen Umkreis dieser Bilder übertragen, die alle eigentlich erlöst werden wollen, und die nicht mehr länger verdrängt werden dürfen.
Also die neu ins Spiel kommen müssen, aber eben auf einer neuen Stufe, und wenn Beuys häufig als ein Schamane bezeichnet worden ist, dann sollte man aber dabei beachten, dass es sich hier nicht nur um den Schamanismus in der uns bekannten Form handeln kann, der in einer magisch mythischen Naturbeziehung alleine sich erschöpfen kann, sondern dass, wenn es hier überhaupt um den Zusammenhang des Ganzen geht, um einen neuen Ganzheitsbegriff geht, dass er nur noch in Zukunft eine Relevanz hat im klaren Tagesbewusstsein des Menschen. Mit anderen Worten, dass der Begriff der Aufklärung letztendlich noch überhaupt nicht realisiert worden ist, sondern dass die eigentliche wirkliche Aufklärung des Menschen noch bevorsteht. Dass der Hase überhaupt noch erst richtig ins Spiel kommen muss.
Ich sage mal so, wenn man den Hasen etwas infantilisiert, ist ja alles in Ordnung. Also das Kuscheltier, das man streichelt und lieb finden kann. Es ist ja auch eine Beuyssche Erfahrung, wenn man den Hasen ernsthaft ins Spiel bringt, dass er dann Aggressionen freisetzt.
Es gibt ja dieses wunderschöne kleine Werk von Beuys mit dem Titel ‚Der Unüberwindliche‘. Ich glaube es ist Anfang der 60er Jahre und ist heute im Darmstädter Block zu sehen, wo ein kleiner Spielzeugsoldat, der ist vielleicht gerade zwei Zentimeter groß auf ein Wesen abzielt, mit dem Gewehr auf ein Wesen abzielt, und dieses Wesen ist ein großer modellierter Hase. Ein Imaginiertes, bei dem man sieht, der ist durch diese Kugeln gar nicht zu treffen. Also das Aggressionspotential ist ja unter anderem das nicht ins Bewusstsein gebrachte Elementarpotential vergangener Seelenschichten, unbewusster Seelenschichten.
Die Gewalttätigkeit ist immer eine unerlöste Kraft, und genau die gilt es, in das Freiheitsvermögen, das heißt in die Bewusstheit zu bringen, wo sie sich dann eben transformiert in eine größere Kampfesbereitschaft. Das ist eine höhere Form von Aggression, es ist keine Aggression im ursprünglichen Sinne, sondern eine Kampfbereitschaft um die wirklichen wichtigen Ideen. Das heißt, der Krieg der Ideen ist angesagt, damit endlich einmal der Krieg der Menschen untereinander zu Ende kommt. Denn der ist eine Form der Auseinandersetzung, die letztendlich durch unsere Evolution überwunden ist. Das heißt ein geistiger Krieg ist nun angesagt, der Mut, bestimmte Dinge zu vertreten, bestimmte Dinge auszusprechen – gegen den Trend.
Mich interessiert noch die Beziehung zwischen Gold und Hase. Gold: Wir wissen ja, wie analfixiert die Sache ist. Es ist mehr so ein Gefühl, aber mir kam der Zusammenhang nicht zufällig vor. Dass da doch eine tiefe Schicht angesprochen wird, die zum Funktionieren dieser Geschichte von Zarenkrone und Hase gehört.
Ich muss noch mal sagen, ich habe den Eindruck, dass Ihre Ahnungen gute Wegweiser sind, denn in der Tat, bei der Frage des Goldes stehen wir ja vor einem ganz ähnlichen Komplex, wie dem, über den wir die ganze Zeit eben schon gesprochen haben. Nur beim Gold geht es weniger um die Tiere vielleicht, sondern da geht es erst einmal um eine, sagen wir mal, den Alchimisten ja sehr bekannte Repräsentanz der zentralen kosmischen Kraft, der Sonne, die sich im Metall des Goldes manifestiert.
Das Gold hatte ursprünglich eine durchaus ja große religiöse Bedeutung. Es war eben eigentlich der Inbegriff des Königtums, der Weisheit und der Macht, und zwar der göttlichen Macht in der Repräsentanz des Kaisers, des Königs oder wem auch immer. Und das Gold ist ja dann immer mehr auch der eigentliche Maßstab, wenn man so will, für alle möglichen Zusammenhänge geworden, bis hin zum Geld. Also es gibt diese Entwicklung vom Gold zum Geld und genau, jetzt sind wir wieder beim Hasen, denn das Gold hat als Geld eine mythologische Funktion, die sich psychologisch natürlich vielfältig auswirkt,
Auch da geht es eigentlich um die Erlösung, nämlich das Geld endlich vom Golde zu befreien. Das Geld endlich in die Beweglichkeit hineinzubringen, die ihm eigentlich zukommt und die in der Lage wäre, die wirtschaftlichen Zusammenhänge in einer freien Form zu regeln, weil das Geld dem Wesen nach nämlich gar kein Wirtschaftswert mehr ist, wie es als Gold ja noch war, ein Wirtschaftswert nämlich, und dass das Geld aus dieser Funktion erlöst werden müsse und erkannt werden muss, dass das Geld ein Rechtsregulator ist, das heißt ein demokratischer Rechtsregulator der Wirtschaftswerte.
Also geht es auch hier wieder, und zwar um die Frage, um eine sehr brisante Frage, die das Wesen des Kapitalismus eigentlich berührt, ob wir in der Lage sind, als Menschen zu realisieren erst mal in unserem Denken erst mal eine ganz neue Geldidee, eine daraus resultierende neue Geldordnung, die demokratisch durchzusetzen wäre, aber erst durchgesetzt werden kann, wenn entsprechend auch eine Konzeption da ist, und die würde bedeuten, dass das Geld in Bewegung kommt. Und zwar in die Bewegung des Menschen und seiner wirtschaftlichen Konzeption. Während es ja im Moment sich völlig verselbständigt hat, eine Eigendynamik, man muss fast sagen, dämonische Eigendynamik zeitigt, die aber nur der Ausdruck dafür ist, dass der Geldbegriff noch nicht erlöst worden ist.
Das heißt, an die Stelle des Geistes setzt sich dann der Dämon, und das ist der Dämon des Egoismus, also einer verkürzten Ich-Idee. Der Dämon des Materialismus, das würde wieder bedeuten, das Geld ist ja längst nicht mehr die spirituelle Repräsentanz von Göttlichkeit, sondern es ist ja materialisiert. Das Geld ist insofern genau das Gegenteil dessen geworden, was es vorher war: Inbegriff des Materialismus. Ich glaube der Zusammenhang liegt damit auch auf der Hand. Beuys hat im Hasen und in dem goldenen Hasen und in der goldenen Sonne zum Ausdruck bringen wollen, dass diese Dinge heute Repräsentanten für eine zukünftige neue Idee von Geld beispielsweise, von Demokratie und damit also auch wieder eigentlich eines höheren Freiheitsbewusstseins sind.
Wir haben viel von der Wertschätzung des Hasen geredet, und was man vom Hasen lernen kann. Aber muss man auch fragen, ob dieser Hase gefährdet ist? Einmal natürlich ökologisch, aber die Wertschätzung des Hasen hängt auch von unserem Bewusstsein ab. Der Hase wäre nichts ohne unserer Bewusstsein, jedenfalls nichts für uns, und über diese Gefährdung würde ich gern etwas wissen.
Das ist ja das, was ich eben auch schon angedeutet habe, der Hase muss erlöst werden, das heißt, seine Gefährdung liegt natürlich auch in seiner Nichtbeachtung, auch in seiner ganzen Geistigkeit, in der Nichtbeachtung seines Geistes, und mit dem Hasen ist natürlich sehr viel mehr gemeint als nur der konkrete Hase jetzt auf dem Felde, der ja sowieso fast zum Aussterben verurteilt zu sein scheint. Der Hase ist in jeder Hinsicht ein Zeichen für eine kritische Situation. Es gibt, glaube ich, keinen archetypischeren, keine archetypischere Vorstellung als die von einem toten Hasen auf der Autobahn. Der ist der Inbegriff eigentlich dieses Geopferten, dieses Opfertieres.
Wir dürfen ja nicht vergessen, und wir vergessen es aber, dass wir den Tieren evolutionär unsere, über uns eigentlich unsere Existenz verdanken, dass die Tiere sich buchstäblich geopfert haben, um den Menschen gleichsam auf der Erde zum Vorschein kommen zu lasen. Denken Sie nur an den Affen. Der Affe, den hat Beuys mal eine tragische Gestalt genannt, weil er eben die letzte Figuration des Tieres vor der Menschwerdung ist, die also nicht wirklich zur aufrechten, befreienden Figur gekommen ist, zu dieser Freiheitsgestalt gekommen ist.
Aber auch ein Ausdruck eines Opfers ist, denn auf der Grundlage der Tiere, auf der Grundlage der Natur etablieren wir unsere Freiheitsnatur, und die ist eben – bis zu dem heutigen Punkt jedenfalls – eine, die gegen die Natur gerichtet ist, eine Anti-Natur, eine zerstörerische Kraft, eben die Kraft der Rationalität und des Egoismus, die beide in ihrer Komplizenschaft gegen die Natur angehen, dies aber in einem völlig unbewussten Sinne tun, das heißt in einem unerlösten Sinne. Und die Frage, die uns heute zu beschäftigen hat, ist ja, ob man diese Sache nicht in eine höhere Formation bringt im Sinne einer Zusammenarbeit mit den Tieren und der Natur, und da wäre auch wiederum der Hase. Er ist insofern gefährdet, als keiner von uns ja weiß, in welche Richtung wir uns entschließen zu gehen als Menschen.
Die Frage ist ja, ob wir auch in der Lage sind, das zu realisieren. Es steht ja auf des Messers Schneide. Wir leben heute in einer hochgradig gefährdeten Situation, in einer dramatischen Situation, in der die Menschheit im Ganzen noch nie gestanden hat, und auch dafür steht nun der Hase. Und wenn man da von der Gefährdung des Hasen spricht, sollte man wissen, dass man damit eigentlich die Gefährdung des gesamten planetarischen Zustands in der Gegenwart meinen müsste. Der Hase ist dafür auch in der Tat ein Zeichen.
Der tote Hase auf der Autobahn. Und das zwingt uns, nicht nur über den Hasen nachzudenken, sondern zum Beispiel auch über das Auto nachzudenken, denn auch das Auto ist ja ein Instrument der Bewegung, wenn man also mal die beiden, den Hasen als das Bewegungswesen und das Auto mal miteinander vergleicht, dann kommt man auf überraschende Parallelen. Dann kommt man auf die Idee, dass das Auto eine Art mechanischer Hase ist, dessen ich mich bediene, um von einem Ort zum anderen zu kommen, weil es einfach schneller ist. Wenn ich mich jetzt aber umgekehrt frage, würde ich den Weg, den ich beispielsweise mit dem Auto zurücklege, würde ich den beispielsweise auch zu Fuß zurücklegen, dann komme ich doch in arge Bedrängnis, denn dann muss ich mich doch fragen, wie wichtig ist dieser Weg eigentlich, den ich zurücklege?
Ich müsste strenggenommen auch meine Entscheidungen, warum ich mich überhaupt bewege und wohin ich mich bewege, die müsste ich viel, viel tiefer in mir selber begründen, wenn ich dieses Bewusstsein hätte. Und so gesehen ist das Auto, könnte wenn ich es mir zu Bewusstsein brächte, könnte das Auto ein zukünftiges Symbol dafür zu werden, dass es mich dazu zwingt, mir zu überlegen, warum ich es benutze, zu welchen Zwecken ich es einsetzte und wie oft ich es benutze. Und dann würde sich herausstellen, dass das Auto dem Wesen nach gar nicht dafür da ist, dass man damit so viel fährt.
Könnte man vielleicht sagen, der Hase ist das Auto und der Igel ist das Internet, und dann stimmt das doch mit dem „Rasenden Stillstand“, wie ihn der Philosoph Paul Virilio beschreibt.
Wir kommen jetzt so richtig schön ins Fabulieren auf einer neuzeitlichen Ebene. Ich persönlich muss sagen, über das Internet habe ich mir noch nicht so viel den Kopf zerbrochen, über das Auto schon mehr, das liegt aber auch daran, dass das Auto uns schon ein vertrauteres Instrument ist. Aber das, was ich eben schon vom Auto gesagt habe, könnte ich genau auch über das Telefon vortragen, als Vorläufer des Internets, wo man sich ja auch bei jedem Telefongespräch man sich immer wieder aufs Neue klarmachen müsste, welche Riesenentfernungen man damit eigentlich überwindet, und dass man sich klar macht, dass man die hätte früher real überwinden müssen, und dass dieser Mangel an Realität, der mit technischen Instrumenten ja immer verbunden ist, weil die wirklich wichtige Hälfte immer im Unbewusstsein bleibt, zum Beispiel, dass ich bei jedem Telefonat unendliche Entfernungen überwinde, dass es mal ganz interessant und fruchtbar wäre, die sich mal meditativ klarzumachen, damit man sich klarmachen kann, über welche Potenzen und Gewalten der Mensch in Tatsache ja schon verfügt.
Und das Auto ist da für mich ein sehr schönes Symbol. In welchen Zusammenhang das jetzt mit dem Internet steht, und ob das Internet jetzt wirklich der Hase ist, oder der Igel ist, oder ob das Internet eigentlich noch immer etwas ganz Unbewusstes ist, weil der Mensch ja schließlich auch noch da ist, der sich ja auch beim Internet fragen muss, aus welchem Grund und zu welchen Zwecken er es einsetzt, so muss man sagen, nein, das Internet steht in gewisser Weise noch auf der gleichen Ebene wie das Auto. Das Auto behauptet von sich vom Namen her, es wäre sich selbst, es könnte sich selbst bewegen, deswegen Auto, griechisch αὐτός, eigentlich eine Art Menschersatz ist.
Und da müssen wir uns auch klarmachen, dass alle diese technischen Instrumente nichts anderes sind als die Aufforderung an den Menschen, nicht nur von ihm bedient zu werden, sondern wenn sich der Mensch ihrer schon bedient, wenn sie also Werkzeuge sind, dann wäre es dringend an der Zeit, dass sich nun der Mensch mal besinnen müsste seiner Königsrolle. Denn wenn ich schon Werkzeuge benutze, dann sollte ich mir doch erst mal als allererstes meine Königsrolle klar machen, die in der Lage ist, solche Werkzeuge zu benutzen. Und dann würde ich mich fragen müssen, welche Ziele habe ich denn als König, ich als König der Erde, und welche Verantwortung habe ich als König der Erde. Denn dann hätten diese Instrumente endlich ihren Sinn, den haben sie im Moment eigentlich überhaupt noch gar nicht, jedenfalls nicht im Bewusstsein.
Es ist heute so, dass diese ganzen technischen Instrumente für nichts anders eingesetzt werden als für eine stumpfe Triebstruktur, die sich in irgendeiner Weise befriedigen will, ohne sich Rechenschaft darüber abzugeben etwa über die wirkliche Dimension des Menschen, die, um es eben zu wiederholen, im Humanismus noch nicht wirklich zu Bewusstsein gekommen sind, sondern sogar verdrängt worden sind.
Ich danke dem documenta archiv für die Bildnutzungsrechte.
Copyright:© documenta archiv / Foto: Dieter Schwerdtle
Credit:documenta archiv / Foto: Dieter Schwerdtle
Fotograf:Dieter Schwerdtle
Bild 1: Vorbesprechung für die Planung der "Aktion 7000 Eichen" auf dem Friedrichsplatz: Joseph Beuys (r.) deutet die Ausrichtung des "Steinkeils" mit den Basaltblöcken für die Aktion an. Neben ihm steht Johannes Stüttgen, Geschäftsführer Free International University und Verbindungsperson zu Beuys. documenta 7 (1982).
Bild 2: Joseph Beuys: Aktion " Friedenshase". documenta 7 (1982).
Bild 3: Joseph Beuys: Aktion " Friedenshase". documenta 7 (1982).
Bild 4: Arbeitsgespräch über das weitere Vorgehen in Bezug auf die "Aktion 7000 Eichen" nach dem Ende der documenta 7 im Büro des Kasseler OB (v.l.n.r.): Ludolf Wurbs, Kasseler Stadtrat, OB Hans Eichel, Joseph Beuys, Johannes Stüttgen, Geschäftsführer Free International University, und Wolfgang Ziegler, Geschäftsführer documenta GmbH. documenta 7 (1982).
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